Im September 2014 war ich zum ersten Mal in Russland, genauer gesagt in Sankt Petersburg. Dies ist nun schon über 5 Jahre her und seitdem kamen noch zahlreiche weitere Reisen hinzu.
Ich durfte in dieser Zeit viele tolle Orte dieses wunderbaren Landes entdecken und auch die Menschen in Russland näher kennenlernen. Insgesamt war ich, Stand jetzt, bereits 16 Mal in Russland.
Ich dachte mir nun, dass es mal an der Zeit ist, um ein kleines Zwischenfazit zu ziehen. Wie waren meine Erwartungen und auch Vorurteile gegenüber Russland vor meiner ersten Reise? Und wie haben sie sich im Laufe der Jahre entwickelt?
1) Die Menschen
Bei meinem ersten Besuch in Sankt Petersburg war ich schon leicht irritiert. Die Leute haben nur so vor sich auf den Boden geschaut und einen relativ grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt.
Auch in der Metro war es auffällig, wie sehr die Menschen in ihr Buch, ihr Handy oder den Boden des Abteils vertieft waren. Freundliche Gesichter? Fehlanzeige. Erst einige Besuche später, bin ich dem Phänomen auf die Spur gekommen.
In Russland gilt es nämlich als dumm, einem Fremden einfach so ohne Grund ein Lächeln zu schenken. Schon komisch, denn wenn Du russische Leute erst einmal genauer kennst, wirst Du sehen, wie unglaublich herzlich und hilfsbereit sie sind.
Das komplette Gegenteil gegenüber dem ersten Eindruck auf der Straße. Da aber oft der erste Eindruck zählt, haben die Russen das Image des schlecht gelaunten und sprachkargen Individuums leider weg.
Eine Nation über einen Kamm zu scheren ist immer schwierig, allerdings habe ich die russischen Menschen in den letzten 4 Jahren als sehr offen, spontan und lebensfroh erlebt. Sie machen sich nicht so viele Gedanken wie wir Deutschen und planen nicht bereits die nächsten 10 Jahre voraus.
Ein bisschen Spannung muss ja auch noch sein. Die Familie spielt in der russischen Gesellschaft ebenfalls eine tragende Rolle. Man hält zusammen und die gegenseitige Hilfe und Unterstützung ist immer gegeben.
2) Die Sprache
Die Sprache ist schon speziell und besonders die kyrillischen Buchstaben sind natürlich mit ein Grund, warum sich viele Leute eine Russland-Reise nicht vorstellen können. Sie haben Angst vor der Sprachbarriere und dadurch ausgelösten Problemen.
So ging es mir am Anfang auch. Was ich aber nicht wusste: Die kyrillische Schrift ist unserer lateinischen Schrift gar nicht sooo unähnlich. Nach ein bisschen üben, wirst Du bereits vieles lesen können. Du kannst Dir ein Spiel daraus machen, die Buchstaben über den Geschäften zu entschlüsseln.
Das macht Spaß, glaub mir. Und wenn Du erst einmal ein Restaurant (ресторан) oder ein Café (кафе) entziffert hast, willst du gar nicht mehr damit aufhören. Das Erfolgserlebnis macht süchtig. Zumindest ging es mir so.
Ich lerne selbst jetzt seit einigen Jahren Russisch und würde behaupten, dass ich schon ganz gut sprechen und lesen kann. Verstehen geht sogar noch besser. Für tiefgründige Gespräche reicht es allerdings noch nicht, aber ich kann mich gut verständigen.
Da in den großen Städten aber viele Menschen auch Englisch, vereinzelt sogar Deutsch, sprechen, musst Du Dir beim Thema Kommunikation absolut keine Sorgen machen. Zur Not gibt es mittlerweile ja auch hilfreiche Handy Apps wie den Google Übersetzer.
3) Das Essen
Vom russischen Essen hatte ich keine konkrete Vorstellung. Ich kannte zwar die Begriffe Soljanka und Borsch, konnte mir darunter aber nicht wirklich etwas vorstellen. Ich bin also relativ unbedarft an die Sache herangegangen.
Die russischen Gerichte sind lecker, keine Frage und russische Frauen sind begnadete Köchinnen, aber es ist doch alles seeehr kalorienreich. Selbst die Salate werden häufig mit Mayo "verfeinert" und füllen den Magen so fast im Alleingang. Die russische Küche ist allgemein sehr fleischreich.
Am Anfang meiner Reise habe ich noch Fleisch gegessen und kann Dir auf jeden Fall Pelmeni und auch Posy empfehlen. Sehr lecker! Seit 3 Jahren bin ich nun aber vegetarisch unterwegs und stelle meine Schwiegermutter damit vor so manche Herausforderung. In Russland ist es schon eher ungewöhnlich, wenn da so ein Vegetarier um die Ecke kommt.
Was die Russen aber definitiv drauf haben sind süße Leckereien. Ob Blini oder leckere kleine Gebäcke, hier kann ich mich immer gar nicht stoppen. Auch kleine Schoko-Konfekte gibt es in allen erdenklichen Formen und knallbunten Verpackungen.
Stoppen wird sowieso überbewertet. Eine russische Gastgeberin lässt Dir ohnehin keine andere Wahl. Es wird gegessen bis nichts mehr geht. Gar nichts mehr!
Das ist auch Teil der berühmten russischen Gastfreundschaft und mit ein Grund, warum ich nach längeren Russland-Reisen stets mit 5 kg mehr im Gepäck auf den Rippen nach Hause komme. Auch wenn ich mich ansonsten sehr bewusst ernähre, stört es mich in diesem Fall nicht wirklich. Urlaub ist zum genießen da!
4) Der Alkohol
Alkohol ist natürlich auch so ein Thema. Besonders Wodka. Hier herrschen mit die größten Vorurteile und es vergeht kein Treffen mit Freunden oder Bekannten, bei dem meine Frau nicht einen Wodka-Witz auf ihre Kosten ertragen muss.
Russische Männer trinken Wodka wie Wasser. Sie fangen zum Frühstück an und fallen dann am Abend sturzbetrunken ins Bett. So jedenfalls die landläufige Meinung und ich muss zugeben, dass ich vor meinem Russland-Kontakt in abgeschwächter Form auch so über russische Männer gedacht habe.
Diese Ansicht hat sich durch meine Reisen auf jeden Fall geändert. Genauso wenig wie wir Deutschen den ganzen Tag nur Bier trinken und in Lederhosen herumlaufen, genauso wenig trinken die Russen nur Wodka. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Grundsätzlich wird in Russland meiner Erfahrung nach Wodka hauptsächlich bei besonderen Anlässen getrunken. Mit dabei ist auch immer ein Trinkspruch und damit ein guter Grund (gute Reise, Gesundheit, Erfolg, etc.) sein Glas zu heben. Gründe kann man aber natürlich viele finden.
Bei der jüngeren Generation erlebte ich eher einen Rückgang des Alkoholkonsums. Vor allem beim Wodka. Hier geht der Trend eher in Richtung Bier, Wein, Cocktails oder gar keinem Alkohol. Zu meinem Erstaunen habe ich nämlich auch einige Antialkoholiker kennengelernt.
5) Die Architektur
Vor meiner ersten Reise nach Russland, dachte ich beim Thema Architektur vor allem an graue Plattenbauten. Die typischen sowjetischen Betonklötze sind natürlich weiterhin vorhanden, normalerweise aber eher außerhalb des Stadtzentrums zu finden.
Mir war gar nicht bewusst, wie viele traumhafte, ja beispiellose, Gebäude sich so in Sankt Petersburg, Moskau und Co. tummeln. Selbst die Metrostationen sind Kunstwerke für sich. Ich muss schon sagen, ich bin schwer begeistert.
Der Rote Platz und die umliegenden Gebäude, oder das komplette Zentrum von Sankt Petersburg. Ein Traum. Das musst Du einmal mit Deinen eigenen Augen gesehen haben!
Besonders die Farbenfrohheit der Gebäude und die besonderen Formen haben es mir angetan. Teilweise wie aus einem Märchen entsprungen, hat mich so manches Gebäude sprachlos zurückgelassen.
Erzähle mir über Deine Erfahrungen mit Russland! Wie hat sich Dein Bild des Landes und der Menschen nach Deiner ersten Russland-Reise verändert? Ich bin sehr gespannt auf Deinen Kommentar!
Schön geschrieben und wir können das auch so unterschreiben. Wie herzlich sie sind haben wir so oft in de Transsib erlebt. Die Sprache habe ich schon in der Schule gelernt, sind halt Kinder des Ostens ;-), so war das lesen und teilweise verstehen kein Problem, doch es ist so eingerostet, wenn man die Sprache nicht nutzt verlernt man sie so schnell. Auf jeden Fall war es sicher nicht unser letzter Besuch in diesem interessanten Land.
LG aus dem Osten Deutschland
Ina
Hallo Ina 🙂
haha ja ich kenne das genauso mit Französisch. Früher einmal in der Schule gelernt, aber ohne Anwendung ist alles weg. Ich habe aber festgestellt, dass einiges auch schnell wieder kommt, wenn man sich direkt im Land aufhält und die Kenntnisse sinnvoll anwenden kann. Von daher bin ich sicher, dass Dein Russisch schnell wieder aufgefrischt war 😉 Freut mich echt sehr, dass Euch die Reise so gut gefallen hat und dass ihr mit Eurem Blog auch dazu beitragt, Russland bekannter und auch nahbarer zu machen 🙂
Liebe Grüße
Markus
Danke für die E-Mail zum Blogpost. Alles Gerichte sind bekannt aber was Bitteschön ist Posy? Auch die Google bildsuche gibt nichts her. Bitte um Aufklärung oder ein Bild!
Hallo Genie 🙂
Sehr gerne! Posy sind burjatische, mit Fleisch gefüllte, Teigtaschen. Sehr lecker und auch auf eine interessante Art zu essen 😀 Sie sind auch unter dem Namen Buusy bekannt, werden in Russland aber eigentlich Posy oder Pose genannt. Ich habe hier noch 2 Artikel für Dich. Zum einen ein Blogartikel von mir (mit Bild der Posy und Essensbeschreibung): https://www.russland-erleben.com/arschan-burjatien-baikalsee/#tab-con-8 und ein detaillierter Bericht der Irkutsker Deutschen Zeitung über das Thema: http://www.irkutsker-deutsche-zeitung.ru/2011/06/27/die-besten-posy-der-stadt–burjatische-kuche-in-irkutsk/
Liebe Grüße
Markus
Alles sieht so lecker aus. Die russischen Gerichte sind wirklich sehr schmackhaft.
Hallo Erik,
das ist wahr. Die russische Küche muss man mal probiert haben.
Liebe Grüße
Markus
ja, auch wir haben Russland ähnlich erlebt, ein beeindruckendes Land mit netten Begegnungen. 2016 waren wir mit unserem Womo unterwegs von St. Petersburg bis Murmansk und 2019 dann Moskau, Goldener Ring bis zum Baikalsee, habe über diese Reise auch ein Buch geschrieben aus Sicht unseres Irish Terriers.
2022 wollten wir wieder nach Russland ab Mitte Mai, aber daraus wurde dann leider nichts, jammerschade und sehr traurig.
Liebe Grüße
Ingeborg